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"LoLa tanzt" von Cony  (Deutschland)
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Aufgewacht in einem Raum, winzig und fremd.  Lichtstreifen fallen durch die Jalousien auf den abgetretenen braunen  Teppich. Allein in einer kleinen Pension in Dresden. Stille, ich spüre das Schweigen der leeren Zimmer neben meinem. Vier Tage nur für mich! Kein Trappeln und Rufen aus dem oberen Stockwerk, wo die drei kleinen Kinder der Nachbarn, schon um 5.30 Uhr den Tag begrüßen. Keine Katze, die schreit und maunzt und am frühen Morgen nach ihrem Fressen verlangt.  Kein Wäschehaufen - weder sauber noch dreckig -, der im Korbstuhl, meinem Bett gegenüber, tagelang vor sich hin dümpelt. Zum realen und spezifischen Lärmen des Hauses, gesellt sich sofort beim Aufwachen ein untergründiges Wispern und Raunen der unerledigten Dinge: Nimm mich! Mach es so! Hast du vergessen? Denke daran. Weißt du nicht mehr? Aber du wolltest doch unbedingt! Mit einer Dominanz und Autorität schwingen sich alle Gedanken und Taten, noch nicht begonnen oder ausgeführt, von Morgen zu Morgen, noch im Halbschlaf vor mir auf. 

Nichts von all dem ist jetzt da, nur die Stille und das Licht. Ich drehe mich nochmals auf die Seite und kuschel mich in das Kissen, das fremde Zimmer, das Fenster zu einer unbekannten Stadt im Rücken. Grunze vor Vergnügen. Der erste Mensch, frei von Verantwortung und Pflicht. 

Zu Haus wäre ich jetzt schon zerpflückt in Puzzlestücke, die sich nur noch im Zentrum zusammenfügen, an der Peripherie jedoch mehr und mehr auseinanderdriften. Ja, es ist, als würde ich schon beim Aufstehen und kurz darauf  beim Gang ins Bad über Fragmente und Teile meines Lebens – einige schon lange vergessen und verstaubt – stolpern, die nach mir greifen, sich an/in mir festklammern. Und so wanke ich schlaftrunken durch die Wohnung, klaube hier kaputte Spielzeuge, leere Aschenbecher, sammle dort dreckiges Geschirr ein, und jeder Handgriff wird begleitet von schnell einschießenden Gedankensplittern. Bin ich sehr im Einverständnis mit dem frühen Morgen, gelingt mir manchmal eine Art rhythmisierte Choreographie der Handlungen und der damit einhergehenden Ideen (Traumfragmente, Einkaufszettel, Romananfänge, Materialbilder, Gästelisten, Essenspläne), ein leichtfüßiger, hüpfender Tanz. Meist jedoch ist es ein eher jämmerlicher Kampf mit der Materie, ein Stolpern und Straucheln, mein innen - wie - außen - Parcour. Ein Hastenicht und Kannstemal  …. 

So ist meine morgendliche Welteroberung ein Laboratorium für Ideen, eine Werkstatt  unfertiger Objekte und fragmentierter Bilder und Erzählungen, die in meinem Kopf hocken oder in den Ecken der Wohnung. Aufgaben, die mich schier zerreißen.  „An den Rändern der Zentrifugalkraft entstehen die spannendsten Gedanken und Kunstwerke. Da arbeiten und denken Menschen, die widerständig und zäh ihren Ideen nachgehen.“ Das hat ein kluger Mensch einmal gesagt und mit diesen Worten tröste ich mich, auch wenn ich mich oft nicht freimachen kann von der Vorstellung, dass ich vielleicht doch nur eine Lumpensammlerin bin, mein Leben ein alter Kleiderschrank auf dem Dachboden, drinnen  wertlose Objekte: ein Paar Puppenaugen neben Manuskriptstapeln, der Kampfarm eines Amphibienmonsters, ein Archiv aus Zeitungsartikeln … Ich werde alles auf einen Flohmarkt tragen  - schon wieder eine neue Aufgabe - Nein. Noch besser … Aus all dem Plunder werde ich eine Montage entwerfen. Eine dreidimensionale, bewegliche Maschinenplastik. Ein Perpetuum mobile!, eines, das schreibt und malt und wäscht und furzt und schnarcht. Ja!  Eine ferngesteuerte Roboterdame, die nebenbei und souverän die Hausarbeit erledigt, wichtiges von unwichtigem scheidet. Eine, die die Streitaxt ebenso führen wie lieben kann. Eine, die nervös sein darf und griesgrämig und unvollkommen! Ich werde sie LoLa nennen. Lolalala …Und sie wird meinen hüpfenden, dissonanten Rhythmus dazu aufnehmen. 
Während ich mich endlich den leisen, den unerhörten Dingen zuwenden, das verstaubte Material sichten und zusammen fügen kann. Und nach jeder bewältigten Aufgabe, wird LoLa dafür sorgen, dass mein Geschöpf in die Welt hinaus findet. Gesehen, gehört wird. 

Und wenn ich dann müde werde, wird sie mich in ihren Armen sacht wiegen, leise ein Lied dazu knarren, bis ich eingeschlafen bin.

Alle Rechte: Cornelia Becker, Kissinger Str.25, 14199 Berlin
 

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Elke Werneburg - email: art-herstory@web.de