Frauengeschichte(n)
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Beim letzten Mal suchte ich Frau K., nachdem ich mit „meiner Frau“ ein Eis essen war. Ich wollte einmal kurz mit ihr plauschen, ihre Hand fühlen – Frau K. hat vom ersten Moment an mein Herz berührt, einfach so, durch ihre Energie, obwohl sie nicht die Dame ist, die ich betreue und mit der ich schon viel Zeit verbringen durfte. Frau K. lag ungewöhnlicher Weise in ihrem Bett, die Sonne streichelte durch das Fenster ihr Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen und sie fühlte sich ganz fern von ihrem Raum an, ihr Atem war ganz leise und schwer. Ich setzte mich an ihr Bett, sagte genau die Worte, die ich auch sagen würde, wenn ihre Augen geöffnet sind, sie wach ist. Ich streichelte ihre Hand und schaute dabei durch ihr Zimmer. Ich entdeckte ein Foto, ein großes schwarz-weißes Bild in einem wunderschönen Rahmen. Darauf ein Portrait einer jungen, sehr attraktiven Dame, mit funkelnden Augen, langen welligen dunklen Haaren, einem geschwungenen Mund, der – in meinen Gedanken – direkt nach der Fotoaufnahme gelacht haben muss. Ich schaute wieder Frau K. an, wie sie dort lag, im Hier und Jetzt, mit einem Sonnenstrahl direkt in ihrem Gesicht. Ein Gesicht gezeichnet von vielen Jahren, vielen Erlebnissen, Geschichten erzählend. Ich stellte mir vor, wie die junge Dame auf dem Foto tanzen geht, wie sie sich verliebt, wie sie auf einer Wiese sitzt und Gras zupft, wie sie lacht und Fahrrad fährt. Und ich stellte mir vor, wie die Frau K. von heute sich von innen vielleicht noch ebenso fühlt, wie die Frau K. auf dem Foto, weil sie das innere Leben nicht hat altern lassen. Ich schluckte und begriff, dass zwischen den beiden Gesichtern, die ich vor mir sah, ein Leben liegt, ein ganzes Leben. Momente voller Leben, ein Leben voller Momente. Frau K.`s Leben, eigens mit ihren Gedanken, Gefühlen, mit ihren Erinnerungen und Aufgaben, mit ihren Begegnungen, Träumen, Schicksalen. Ein Leben vielleicht ganz anders als meines, aber vom Prinzip des Seins an sich nicht unterschiedlich. Ich fühlte, dass wir alle nicht mehr sind, nicht weniger, als das, was wir sind, dass wir alle durch die natürlichen Gesetze miteinander verbunden sind, dass wir alle geboren und auch sterben werden, dass Schönheit so sehr viel mit dem zu tun hat, was von innen nach außen tritt, denn Frau K. war für mich vom ersten Moment an wunderschön, viel schöner noch, als ihre tatsächliche Schönheit, die ich dem Foto entnahm. Tränen steckten in meinem Hals. Aber es waren Tränen, die sich nicht nach Traurigkeit, sondern nach Berührung anfühlten, vielleicht ein bisschen nach Demut und so, als wäre mein Herz ganz weit offen, als hätte ich für einen Moment etwas Wichtiges nicht nur begriffen, sondern gefühlt. Ich nahm Frau K.`s Hand ganz fest in meine und sagte ihr in ihren Traum hinein, dass ich sie wunderschön finde. Wenig später in der Straßenbahn saß mir gegenüber eine junge Frau mit einem ca. einjährigen Kind auf dem Schoß. Ein kleiner Mensch mit Sonnenstrahlgesicht - auf dem Weg ins Leben. |
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Elke Werneburg - email: art-herstory@web.de |